N.N.: mondkalte Nächte und Sonnenphasen

Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint: 

Ich bin erfolgreich, lebensfroh und engagiert. Wer sich nicht auskennt, käme nicht auf die Idee, dass ich mit Depressionen lebe. Es fühlt sich an wie ein geheimes Doppelleben, kaum beschreibbar, geschweige denn verstehbar. 

Mein Dasein ist von Unbeständigkeit geprägt: 

Immer wieder kommen Episoden, in denen für mich nichts mehr Sinn macht. Es gibt dann kein Wollen mehr, ich empfinde nur Erschöpfung und Überforderung. Schuldgefühle dominieren, mein Alltag fühlt sich schwer, energieraubend, kaum zu bewältigen an. Manchmal auch von großer Verzweiflung übergossen und in Traurigkeit getränkt. Es gibt quälende, mondkalte Nächte. Mein Verhältnis zur Außenwelt ist an solchen Tagen gestört, ich empfinde eine nicht zu überwindende Fremdheit, eine Lücke zwischen mir und den anderen. 

Doch es gibt auch:

Sonnenphasen. Die helle Wärme lässt alles strahlen, die Welt, mich, die Anderen. Alles macht plötzlich Sinn, Zuversicht und Fröhlichkeit dominieren. Ich bin dann laut, lache, begeistere und reiße andere mit. Ideen sprudeln aus mir heraus, die Nächte sind kurz, der Schlaf unbedeutend. Stattdessen: Risikofreude und Abenteuerlust. Doch wer sich zu lange schutzlos der prallen Sonne aussetzt, riskiert Verbrennungen: Auch in diesen Episoden ist da eine Kluft zwischen mir und der Umwelt. 

In stabilen Zeiten fühle ich mich einigermaßen im Lot, bin keine Sklavin der Krankheit. Aber ich muss immer auf mich achten, darauf, was mir guttut, und was nicht. Was mich überfordern könnte, was mich unterfordert. Dass ich sensibel und vorausschauend handle in Situationen, die Auslöser depressiver oder hypomanischer Episoden werden könnten. Das Auf der Hut sein kostet Kraft. Es ist von außen unsichtbar, doch es ist immer da. Die wechselnden Zustände und die Reaktionen der Umwelt begleiten, behindern mich.  

Ich möchte die Lücke zwischen Menschen, die mit psychischer Erkrankung leben und deren Umwelt durch dieses Projekt kleiner werden lassen. Durch Worte und Klänge möchte ich eine Annäherung an insbesondere bipolares Empfinden für andere spürbar machen.